smart #3 BRABUS – China Rakete von Geely und Mercedes

20240715_110551 - Seite rechtWenn ich die Automarke smart nenne, dann fällt uns sofort ein kleiner Zweisitzer ein, den es auch einige Zeit als Elektroversion gab. Allerdings wurde die Produktion des smart4two inzwischen eingestellt. Seit 2019 gibt es ein Joint Venture von Geely mit Daimler und seit 2022 werden Fahrzeuge unter der Marke smart in China produziert. Mit dem kleinen elektrischen Stadtflitzer hat der #3 nichts mehr zu tun!

Erster Eindruck

Mir gefällt der smart #3 BRABUS sehr gut. Er wirkt sehr aerodynamisch und hat ein sehr stimmiges zeitloses Gesamtbild.
Sieht man genauer hin, dann fallen sofort einige gut durchdachte Funktionen auf. Der Knopf für den Kofferraum ist in den smart 20240712_134354 - BildschirmSchriftzug integriert, die Türschnallen sind versenkt und fahren beim Öffnen der Zentralverriegelung automatisch aus. Getönte Scheiben hinten und rahmenlose Fenster geben dem #3 eine gewisse Eleganz.
Im Innenraum sieht man ihm den Mercedes durchaus an, wobei an einigen Stellen Kunststoffteile verarbeitet sind, die man in einem Benz dort nicht finden würde…
20240712_132618 - TürschnalleDas zentrale Displays mit 12,8 Zoll ist gut und übersichtlich angeordnet. Die Anzeige  wirkt mit der Weltkugel und dem Avatar einer Raubkatze sehr verspielt. Das gefällt mir grundsätzlich solange das Ablesen der Informationen dadurch nicht Behindert wird.
Die wichtigsten Infos bekommt man sowieso vom 9,2 Zoll Fahrerdisplay und dem 10 Zoll großem HeadUpDisplay

Das Lenkrad hat physische Tasten mit gutem Druckpunkt. Die Innenverkleidung ist gut verarbeitet. An manchem Stellen gibt es Hartplastik, aber es macht nirgends einen billigen Eindruck!

Technik

Der smart #3 BRABUS ist mit Allradantrieb und 428 PS Leistung in 3,7 Sek auf 100 km/h. Die beiden permanente Synchron Motoren haben ein maximales Drehmoment von 543 Nm. Bei 180 km/h wird elektronisch abgeregelt. Wärmepumpe ist serienmäßig dabei
Mit 4,40 Meter Länge und knapp über 2m Breite ist er in  der Kompakten Mittelklasse angesiedelt. Ein cw Wert von 0,27, ein Leergewicht 1910 kg und 450 kg Nutzlast ist gut bemessen. Die mögliche Anhängelast mit 1600 kg (gebremst) und 750 kg (ungebremst) mit einem Anhänger-Stabilitäts-Assistent (TSA) ist für diese Klasse etwas Besonderes! 20240718_184923 - Frunk

Der Kofferraum ist mit 370 L ausreichend groß und lässt sich durch einen leichten Druck auf das “a” im smart Logo elektrisch öffnen. Zusätzlich gibt es eine Kicksteuerung zum Öffnen und Schließen der Heckklappe. Die Kofferraumtrennung ermöglicht es in der unteren Ebene einige Dinge zu verstauen, die nicht im Kofferraum herumfallen sollen. Ein verschmutztes Ladekabel kann man aber auch im 15 Liter großen Frunk verstauen. Es gibt überall ausreichend Lademöglichkeiten für Handys. Vorne 1 x  USB-C mit 14W und einmal für die Verbindung zum Auto mit 8W Ladeleistung. Für die hinteren Sitzplätze ist 1 x USB-A und einmal USB-C und eine eigene Lüftung verfügbar. Es gibt allerdings keine 3.Klimazone für Hinten.

Praxistest und Fahren

Beim Einsteigen fühlt man sich sofort gut aufgehoben. Die Sitze haben einen hervorragenden Seitenhalt und können nicht nur geheizt werden, sondern haben auch eine Luftkühlung. Das Panoramadach hat eine 20240712_132713 - InnenWärmeschutzisolierung damit die Sonne nicht die Insassen grillt, sehr angenehm. Vor dem Losfahren muss man sich die Spiegeleinstellung im Hauptdisplay suchen, den dafür gibt es keine Tasten. Anfangs findet man sich nicht bei allen Funktionen sofort zurecht, aber nach einer gewissen Zeit kommen gut durchdachte Bedienungsoptionen zum Vorschein, die man nicht auf Anhieb bemerkt. Ich würde die Bedienung nach meiner Testwoche als “objektorientiert” bezeichnen.

Es gibt die Möglichkeit sogenannte Fahrprofile zu speichern, allerdings muss man dafür ein Benutzerkonto mit dem Fahrzeug verknüpfen, was mir während des Tests leider nicht möglich war. Ich musste daher bei jedem Start gewisse Einstellungen immer wieder erneut machen. 20240719_185732 - 3DView

Hier sehe ich sehr großes Potential für ein gutes Benutzererlebnis, wenn die Profile gut umgesetzt sind, denn es ist viel zu bestätigen, bevor ich alles bedienen darf!
Die Sitze lassen sich elektrisch verstellen und haben eine Memory Funktion. Beim Aus und Einsteigen wird der Fahrersitz automatisch nach hinten gefahren, was die Font Passagiere manchmal etwas verwirrt. Der Seitenhalt ist sehr gut, was man bei sportlicher Fahrweise sehr gut brauchen kann. Der Beifahrersitz kann auch vom zentralen Display aus verstellt werden. Das ist perfekt, wenn man Fahrgäste hat, die sich der Sitzeinstellung nicht stellen wollen, oder man eben die Beifahrerin “flachlegen” will Winking smile

Beim Einparken hilft die hervorragende 3D-Ansicht der Kameras immer einen guten Rundumblick zu haben, gefällt mir sehr gut. Vorbildlich ist auch die Entfernungsanzeige des Parkassistenten in Zentimeterangaben. Das stimmt überraschend genau.

Die Audioanlage von Beats ist mit 13 Lautsprechern und einem satten Bass ein richtiges “Gustöstückerl”. Wer lieber statt Musik ein Motorengeräusch haben möchte, kann das in mehreren Varianten einstellen. Vom Geräusch 20240718_184640 - Lautsprecher hinteneines smart4Two bis zu “Interstellar” ist einiges möglich. Nette Spielerei, aber auf längeren Strecken manchmal nervig. Eine Handyverbindung ist ebenfalls möglich (Apple Carplay und Android Auto). Die induktive Ladeschale in der Mittelkonsole kann mein S22 problemlos aufladen. Wenn es schnell gehen soll ist eine Kabelverbindung mit USB-A oder USB-C die bessere Wahl. Das verschließbare Fach in der Mittelkonsole kann über die Klimaanlage gekühlt werden. Sehr praktisch wenn man mal keine Kühltasche dabei hat und kleinere Einkäufe verstauen will.

Es gibt eine Sprachsteuerung die grundsätzlich gut funktioniert. Hat man KEIN aktives Profil im Auto muss man JEDES Mal eine Datenschutz Erklärung bestätigen, das ist lästig!

Die 4 verfügbaren Fahrmodi sind gut abgestimmt und ändern nicht nur die Reaktion des Fahrpedals, sondern auch das Ansprechverhalten des Lenkrads und den Allradantrieb. Im Modus “Eco” und “Komfort” fährt der smart bevorzugt nur mit Heckantrieb, der Allrad wird nur bei Notwendigkeit dazugeschaltet. Das sorgt für sparsame Verbrauchswerte. Aktiviert man den Modus “Sport” oder “BRABUS”, dann hat der #3 permanenten Allrad und es wird richtig kraftvoll. Besonders der “BRABUS” Modus sorgt für brachialen Vortrieb. Diesen Modus sollte man nur aktiveren, wenn man wirklich Alles geben will!
Auf losem Untergrund wie Schotter sollte man allerdings darauf gefasst sein, dass man hier schnell die physikalischen Grenzen erreicht und dann wird es spannend ob das ESP diese Gewalt unter Kontrolle bekommt.
Brauch man das – nein, macht es Spaß – JAAAA Smile

Im Normalfall wird man den #3 im Komfort Modus bewegen, der mehr als genug Leistung abgibt und trotzdem eine gewisse Chance auf sparsam Fortbewegung ermöglicht. Man kann sich auch über das Menü den sogenannten S-Pedal Modus aktivieren. Damit lässt sich der smart bis zum Stillstand bringen, wenn man das Fahrpedal loslässt. Diese Funktion ist perfekt für 20240712_132638 - Heckansichtdie Stadt. Wenn man vorausschauend fährt, braucht man damit die Bremse nur selten.

In der Nacht erfreut mich ein automatisches Matrix LED Fernlicht welches man an der linken Unterseite des Armaturenbretts aktiveren muss. Hier bemerke ich auch wie umfangreich die Ambientebeleuchtung umgesetzt ist, die man in bis zu 64 Farben und mehreren Kombinationen einstellen kann. Hier kommt wieder ein bisschen Mercedes zum Vorschein.

Beim Fahren wirkt das Auto etwas breiter als es tatsächlich ist. Die Rekuperation kann in drei Stufen eingestellt werden. Sie setzt manchmal etwas zu abrupt ein und auch das Beschleunigen spürt sich oft etwas “kantig” an. Das ist für den sportlichen Fahrstil durchaus interessant, aber in “Komfort” oder gar “Eco” sollte das etwas geschmeidiger werden.

Schade finde ich dass man die Fahrassistenz nur bis maximal 130 km/h aktivieren kann. Darüber hinaus verweigert der Assistent den Dienst. Bei uns in Österreich egal, aber auf der deutschen Autobahn durchaus ein Manko.

Laden & Verbrauch

Der 66 kWh Akku kann 62 kWh nutzbare Energie zur Verfügung stellen. Die Ladeklappe ist hinten auf der Fahrerseite zu finden. 20240719_183701 - LadenNach dem Öffnen kommen 2 Gummi Abdeckungen für Typ2 und CCS zum Vorschein, die man bei jeden Ladevorgang abnehmen muss. Das hab ich schon besser gesehen!

Geladen wird am AC-Lader mit bis zu 22kW, das ist ein Alleinstellungsmerkmal. Die Ladeleistung kann von 5A bis 32A flexibel eingestellt werden, wenn es mal nicht so schnell gehen soll.

Am Gleichstrom sind es maximal 150kW Ladeleistung. In meinem Test kam der #3 in etwas unter 40 Min  von 9% auf 80%, das ist zwar kein Spitzenwert, aber durchaus ok!

Ein intelligentes Batteriemanagementsystem mit Temperaturregelung ist vorhanden und kann angeblich bei der Ladeplanung automatisch aktiviert werden.

Die Ladeanzeige am Hauptdisplay ist hervorragend gemacht. Es gibt alle nötigen Daten und20240713_110931 - Laden sogar ein Ladediagramm. Man kann direkt aus dem Auto die Schnelladung am CCS übers Display beenden. Das können nur wenige Hersteller, funktionierte in meinem Test zuverlässig.

Der angegebene WLTP Verbrauch ist 17,6 kWh. Der tatsächliche Verbrauch des smart #3 ist sehr individuell. In meinem Test (Drittelmix Autobahn, Stadt, Überland im Modus “Sport” oder “BRABUS” hatte ich einen Verbrauch von ca. 23 kWh.

Eine ähnliche Strecke im ECO Modus brachte es auf einen Verbrauch von ca. 19 kWh.

Ich bin sicher dass man den WLTP Wert ebenfalls erreichen wenn nicht sogar unterbieten kann, wenn man im Eco Modus das Fahrpedal sanft bedient. Nicht meine Welt, aber wahrscheinlich möglich Winking smile

Automatische Fahrmodi

Der sogenannte smartPilot kann nur bis maximal 130 km/h aktiviert werden, fährt man schneller lässt er sich nicht einschalten.
Fährt man nur mit dem adaptiven Tempomaten ohne Assistenten gehts auch schneller.

20240715_111059 - VorneDer smartPilot macht einen zuverlässigen Eindruck und man kann ihn auf der Autobahn durchaus längere Zeit “alleine” fahren lassen. Dazu reichen die berühmten drei Finger am Lenkrad, das ist sehr angenehm.

Leider hat auch der smartPilot manchmal falsche Geschwindigkeiten erkannt und diese auch umgesetzt.

Zum Beispiel hat das Auto auf der B9 Richtung Flughafen plötzlich statt der erlaubten 100km/h ein Limit von 50 km/h erkannt und mit der eingestellten Rekuperation plötzlich verzögert. Ich hatte dieses Manöver nicht erwartet und so kam ein etwas zu knapp hinter mir fahrender PKW, der gerade überholen wollte, gefährlich nahe!

Ich weiß, das eine EU Verordnung Hersteller dazu zwingt diese kombinierten Systeme automatisch zu aktivieren, darüber habe ich bereits ausführlich meinen Unmut kundgetan!
Bitte an smart und alle anderen Hersteller:
Gebt uns Fahrern die Möglichkeiten diese “unreifen” Funktionen möglichst einfach vor dem Losfahren ABZUSCHALTEN! Nicht in einem Untermenü, sondern maximal prominent am Lenkrad oder auf dem Hauptbildschirm!
Es ist meist eh nur extrem lästig und führt zu unnötiger Ablenkung, in bestimmte Situationen kann es aber schnell mal gefährlich werden!

Was mir besonders aufgefallen ist
  • Der BRABUS Modus ist brachial. So viel Vortrieb auf passendem Untergrund, kenne ich nur von wenigen Testautos.
    Allerdings liegt die Leistung so “hart” an, dass es nur auf Passagen sinnvoll ist wo man genug Platz hat, dieser Beschleunigung auch Raum zu geben. Perfekt auf dem Beschleunigungsstreifen der Autobahn, nicht unbedingt sinnvoll im innerstädtischen Bereich!
  • Laden mit 22kW ist ein Alleinstellungsmerkmal für den #3, denn das können nur sehr wenige Autos. Somit kann ein 60 Min Einkauf in der Nähe eines passenden AC-Laders durchaus schon den Akku für die Weiterfahrt ausreichend füllen.
  • Bedienung am zentralen Display ist optisch sehr gut gemacht. Etwas verspielt aber immer mit dem Fokus die Bedienbarkeit.
  • Beats Audio mit 13 Laufsprechern klingt wirklich gut. Selbst wenn man sich während der Fahrt nur Motorgeräusche einspielen möchte.
  • Die Ausstattung ist überdurchschnittlich und meist gut durchdacht. Es gibt viele nette Funktionen durch die eine Bedienung Freude macht20240722_095533 - Ladeplanung
  • Es gibt eine Ladeplanung bei der Navigation, diese habe ich allerdings mangels Langstrecke nicht ausführlich testen können.
  • Die Sprachsteuerung im #3 funktioniert eher “durchwachsen”
    Die Navigation kann keine Orte ohne Straße annavigieren obwohl sie die angesagten Ortsnamen richtig verstanden hat.
    Man kann zwar per Sprache die Sitzheizung ein und ausschalten, aber nicht die Sitzkühlung, bei meinen unzähligen Versuchen wurde immer die gesamte Klima ausgeschaltet.
    Hier ist also durchaus noch Luft nach oben…
Fazit

Der smart #3 BRABUS hat mich während der gesamten Testzeit von 10 Tagen immer wieder mit neuen Dingen überrascht, die zu entdecken waren. Es sind viele Funktionen verbaut, die nach genauer Betrachtung gut durchdacht sind.

Es fehlt nix, mache Dinge erschließen sich in ihrer Perfektion erst nach einiger Zeit der Benutzung, deshalb hätte ich den #3 gerne noch länger getestet. 20240715_112337 - seitlich Sonnenblumen

Die Motorleistung des #3 ist überdurchschnittlich, was dem smart ein gewisses Understatement gibt. Das Fahrwerk ist ausgewogen abgestimmt aber nicht übermäßig sportlich. Will man also die überdurchschnittliche Leistung auskosten, sollten keine engen Kurven in der Nähe sein.

Wer eine gutes Alltagsfahrzeug mit extrem sportlichen Genen zu einem angemessenen Preis sucht, wird im smart #3 BRABUS eine überdurchschnittlich ausgestattete Lösung finden, die mit zeitloser Eleganz und ihrer etwas verspielten Bedienung viel Spaß macht.
Die kleineren Ausstattungsvarianten des #3 machen aus meiner Sicht nur dann Sinn, wenn das Geld wirklich knapp ist, denn der Aufpreis für den BRABUS ist durchaus eine gute Investition für die über komplette Ausstattung die man bekommt.