BYD Atto 3 – werden so Träume gebaut ?

20230315_172948 - Atto seitlichBYD ist in China einer der größten Autoproduzenten und hat mit über 3 Millionen verkauften Fahrzeugen im Jahr 2022 schon viel Erfahrung mit elektrischen Autos. Zum Beispiel war das Unternehmen der erste Produzent eines elektrischen Sattelschleppers und es gibt auch einen vollelektroschen Autobus von BYD! Seit Kurzem verkauft die Marke ihre Autos auch in Österreich. Importiert werden die Fahrzeuge von CCI Car Austria GmbH, einer 100% Tochter der Wolfgang Denzel Auto AG. Vertrieben werden die Fahrzeuge über ein österreichisches Händlernetz.

Derzeit sind drei Modelle verfügbar. Im Segment der Mittelklasse ist der Atto3 durchaus ernstzunehmender Mitbewerber für beispielsweise den Hyundai Kona , den Mustang Mach E oder ähnliche Fahrzeuge. Build Your Dreams hat im Atto 3 ein besonderes Alleinstellungsmerkmal, die sogenannte Blade Batterie. Hier werden LiFePo4 Zellen verwendet, die zum Einen lt. Hersteller eine viel höhere Zyklenfestigkeit von ca. 5000 Ladezyklen haben und zum Anderen nicht brennen können. Somit ist der Atto 3 ein sehr sicheres Fahrzeug. Diese Batteriekonstellation ist zwar nicht so extrem Schnelladefähig, aber dazu später mehr! Eine WLTP Reichweite von 420km klingt schon mal OK für einen Akku mit 60,5 kWh nutzbare Kapazität (Brutto 65 kWh). Mein Testfahrzeug ist voll ausgestattet und hat ein elektrisches Glas Hub/Schiebedach.

Erster Eindruck

Von außen macht der Atto 3 auf den ersten Blick eigentlich gar keinen Eindruck. Er wirkt schlickt und einfach. Auf den zweiten Blick sieht man ein sehr zeitloses aber modernes Auto. An vielen Stellen kann man Elemente erkennen die man durchaus von 20230319_161349 - Tür mit Saitenanderen Marken kennt. z.B. erinnern die Verzierungen an der C-Säule an den ID.3. Ein Frontkofferraum ist leider nicht vorhanden obwohl durchaus Potential dafür da wäre, mal sehen ob der Zubehörhandel hier was anbieten wird.

Beim Einsteigen in das Fahrzeug ändert sich das dann sofort! Der Innenraum ist mit seinem großen drehbaren Display ein absoluter Hingucker. Mir gefällt auch der Fahrwahlhebel der an das Cockpit eines Fliegers erinnert. Es gibt kleine verspielte Details, wie die Lüftungsauslässe oder die “Saitenablage” an den Türen die so wirkt als wäre sie wirklich nach einer Gitarre gestimmt worden. Die Türgriffe sind extravagant und manche Leute müssen zweimal hinsehen bevor sie Funktion durchschauen.

Die wichtigsten Bedienelemente sind nahezu selbsterklärend. Es gibt Tasten wo diese sinnvoll sind und Verarbeitung des Innenraums macht einen wertigen Eindruck. Die Starttaste sieht aus wie mit diamanten hinterlegt und die Ambiente Beleuchtung zaubert einen coolen Style in das Auto.

Fahren

Das Platzangebot ist sowohl vorne als auch auf den Rücksitzen sehr großzügig. Der Kofferraum kann auf zwei Ebenen eingerichtet werden, somit gibt es die Möglichkeit die Ladekabel im doppelten Boden zu verstauen. Will man wie ich mehr Gepäck einladen, dann gibt man den Boden ganz nach unten. Somit ist auch P20230319_170542 - Cockpit gesamtlatz um große Koffer einzuladen.

Es gibt drei Fahrmodi und zwei Einstellungen für die Rekuperation. Beides kann über Schalter in der Mittelkonsole eingestellt werden. Dort gibt es auch zwei Knöpfe für die Parkbremse. Der Eine ist hervorragend in den Fahrhebel integriert und ich habe fast den Verdacht, dass BYD den Zweiten nur deshalb verbaut, falls man den Ersten übersieht.

Beim Losfahren fällt mir auf, dass der Frontantrieb sehr kraftvoll wirkt. Die Abstimmung des Fahrwerkes ist souverän fast sportlich, obwohl der Atto 3 kein Sportwagen ist. In den Kurven geht oft mehr als man erwartet Winking smile Wenn man das Strompedal zu schnell durchdrückt, dann hat der Elektromotor kurz Probleme die Kraft so schnell auf die Straße zu bringen, wie diese verfügbar ist. Dann zerrt die Kraft merklich am Lenkrad, allerdings immer sehr berechenbar und nie störend.

Praxistest

Beim Einladen unseres Gepäcks fällt mir auf, dass die elektrische Heckklappe für große Menschen wie mich durchaus höher öffnen könnte. Beim Losfahren zeigt mir der Atto 3 420 km Reichweite an, das werden wir noch sehen Winking smile20230319_082806 - Kofferraum

Ich fahre mit dem Atto 3 von Wien zuerst nach Mank zu einer 2 tägigen Schulung und danach weiter nach Graz und dann wieder zurück nach Wien. Die erste Strecke geht über die Autobahn und ich bin im Sport Modus immer an der erlaubten Höchstgeschwindigkeit unterwegs. Wir haben meist 10-15 Grad Außentemperatur und ich habe die Klimaautomatik immer auf 22 Grad.

Die Rekuperation ist zwar auf “high” eingestellt, macht sich allerdings nicht sehr stark bemerkbar.  Grund dafür ist, dass eine stärkere Rekuperation derzeit nur über das Bremspedal ausgelöst werden kann. Das wird möglicherweise noch etwas angepasst.

Updates kommen beim Atto 3 bereits “OverTheAir” und ich hatte sogar die Gelegenheit eines mitzuerleben. Da könnte sich der VAG Konzern gerne was abschauen, denn dort warte ich schon über 1 Jahr auf das erste Update!

Die Routenplanung navigiert sehr akkurat und kann über das riesige Display hochgestellt hervorragend abgelesen werden. Eine Ladeplanung ist derzeit noch nicht implementiert, wird aber noch kommen! Die Sprachsteuerung funktioniert derzeit nur in 20230317_163532 - Vorne seitlichenglischer Sprache . Kurze Tests mit meinem Schulenglisch lassen hohe Erwartungen an die deutsche Sprachsteuerung aufkommen, die bereits bald angekündigt ist!

Ich fahre mit dem Vollgeladenen Auto ca. 120 km zügig im Sport Modus über die A21 und A1 zu meinem ersten Ziel. Dort angekommen habe ich einen Durchschnittsverbrauch von etwas über 22kWh. Das ist für meine Fahrweise ein sehr guter Wert.

Von Mank nach Graz wähle ich bewusst die Bundesstraße über Lunz, Mariazell und Kapfenberg um den Atto 3 ein wenig besser kennen zu lernen. Speziell die Bergstraßen auf dieser Strecke machen mehr Spaß als ich erwartet hatte. Hier wird noch klarer, dass ich ein sehr agiles und berechenbares Fahrzeug habe. Viel Freude am Fahren kommt auf, Vorsicht BMW das könnte eng für euch werden Winking smile

Zwei Tage später fahre ich über die S6 und die A2 wieder zurück nach Wien. Hier gibt es kaum Überraschungen, nur der Fahrspur Assistent ist etwas zickig. Die gefühlt häufigen Lenkeingriffe müssen kraftvoll sein sonst bleibt ein lauter und nerviger Hinweiston. Das sollte noch besser werden, sonst wird der Assistent oft abgeschaltet bleiben.

Laden

Nach meiner Ankunft am ersten Ziel fahre ich zwei Tage eher wenig, daher lade ich bei meinem Quartier an einer Drehstromsteckdose mit meinem Go-E Adapter. Leider liegt in meinem Testauto nur ein einphasiges Typ2 Ladekabel. Funktioniert trotzdem hervorragend, aber eben nur mit max. 3,6 kW. Die Ladeleistung kann man während des Ladens am 20230319_161744 - Ladeanzeige innenFahrerdisplay sehen, das gefällt mir!
Nach Rücksprache mit BYD wird mir bestätigt, dass im Lieferumfang des Atto3 ein 3phasiges Kabel dabei ist, da das Fahrzeug mit bis zu 11kW laden kann, das schwache Kabel ist also nur aus Versehen im Auto!

In Graz angekommen stelle ich den Atto 3 zu einem 150kW Lader. Ich sehe relativ rasch eine Ladeleistung von maximal 88 kW. Eine Vorkonditionierung der Akkutemperatur ist vorgesehen aber derzeit noch nicht aktiviert.

Ich habe noch 21% SOC und lasse das Auto stehen, während ich einkaufen gehe. Als ich nach ca. 45 Min zurückkomme sind wir bei 86% SOC und einer geladenen Energie von 44kWh. Das bedeutet rein rechnerisch eine Ladeleistung in diesem SOC Bereich von durchschnittlich 60 kW.  Bei einem 2 Ladestopp ein paar Tage später in einem Bereich von 6% – 70% errechne ich ungefähr die gleiche durchschnittliche Ladeleistung von ca. 60kW.

Damit wird der Atto 3 zwar kein Ladekönig aber im Durchschnitt ist er ganz gut. Hier macht sich die verbauten Zellchemie bemerkbar, denn LiFePo4 Akkus haben es gerne etwas langsamer beim Laden.

Besonderheiten

Bei den Besonderheiten gibt es einiges zu bemerken

  • Der Atto3 hat mich beim Verbrauch oft überrascht. Ich habe ihn auf der Autobahn im Sportmodus oft zügig an der erlaubten Höchstgeschwindigkeit bewegt und mir wurde auf meiner gesamten Reise ein Schnitt von 22 kWh auf 100km angezeigt. Dabei hatte ich ca. 20% Stadt, 50% Autobahn und 30% Bundesstraße zu fahren.20230319_134632 - Kamera Rundumsicht
  • Die neue sogenannte “Blade Batterie” ist ebenfalls was Besonderes. Die Zellchemie ist mit LiFePo4 nicht nur sehr stabil und langlebig, sondern auch nahezu unbrennbar. BYD gibt für den Atto 3 ca. 5000 mögliche Ladezyklen an. Mit der nutzbaren Akkukapazität von 60,5 kWh und einem Durchschnittsverbrauch von 22 kWh / 100km komme ich rein rechnerisch auf über 1,3 Millionen Kilometer. Wenn nur die Hälfte davon erreicht werden kann, dann ist das eine Besonderheit.
  • Dafür muss beim Schnelladen etwas mehr Geduld aufgebracht werden, siehe oben!
  • Es gibt eine V2L Funktion die bis zu 3,3 kW abgeben kann und eine Entladung des Akkus bis zu 15% erlaubt. Der Adapter ist bei dem Top-Model „Design“ im Lieferumfang enthalten.
  • Im Innenraum fällt der große drehbare Bildschirm und die superschnelle Software auf. Die Bedienelemente sind oft verspielt aber praktisch. In den musikalischen Türen könnten etwas größere Flaschen Platz finden.
  • Auf dem Außenspiegel habe ich ein NFC Symbol gesehen. Hier wird es die Möglichkeit geben den Wagen mittels NFC übers Handy oder einen entsprechenden Chip aufzusperren.
  • Die 3D Kamera Rundumsicht bietet nach der Eingewöhnungsphase eine sehr gute Übersicht beim Rangieren und Einparken

Fazit

20230317_163039 - HeckMit dem Atto 3 hat BYD ein sehr gutes Auto im Programm. Es hebt sich durch die Blade Akkutechnologie hervor und ist hervorragend für Menschen geeignet die eine sehr sichere und langlebige Akkutechnik der absoluten Schnelladefähigkeit vorziehen. Das hervorragende zentrale Display und die schnelle Software machen Freude sie zu bedienen. Viele verspielten Details im Innenraum stehen in keinem Wiederspruch zu dem eher schlichten Äußeren des Atto 3. Das gut und berechenbar abgestimmte Fahrwerk überrascht mit unerwarteter Präzession. Auffallen kann man mit diesem Auto erst, wenn man jemanden einsteigen lässt. Der Preis von etwas über € 45.000 ,- nach Abzug der derzeigen Förderung für Privatkunden, ist angemessen für ein Fahrzeug mit dieser Ausstattung, Schnäppchen ist er allerdings keines.